Drei Fragen an Juliane Kühne

Juliane Kühne übt ein traditionelles Handwerk aus, dessen Ursprünge bis ins Mittelalter zurückreichen. In ihrer Werkstatt setzt sie die Praktiken fort, die einst von Mönchen in den Schreibstuben der Klöster angewandt wurden, darunter das Heften von Buchblöcken und das Herstellen der Einbände nach Wunsch. Juliane ist Inhaberin der letzten handwerklichen Buchbinderei in Essen und übernahm vor gut 25 Jahren gemeinsam mit ihrem Mann, Peter Puk, die Buchbinderei Löber. In ihrem Meisterbetrieb entstehen sowohl gewöhnliche als auch außergewöhnliche Werke, darunter Kassetten, Mappen und andere kreative Schöpfungen, die sie mit viel Hingabe gestaltet. Über die Herstellung verschiedenster buchbinderischer Produkte hinaus umfassen ihre Tätigkeiten auch die fachgerechte Reparatur alter, beschädigter Bücher.

KURTI: Was hat dich dazu inspiriert, den Beruf der Buchbinderin zu ergreifen, und welche Bedeutung hat diese handwerkliche Tradition für dich?

Juliane Kühne: Der Zufall hat eine große Rolle bei meiner Berufswahl gespielt. Schon vor dem Abitur wurde mir klar, dass ich nicht studieren, sondern lieber im Handwerk arbeiten wollte. Zu der Zeit kannte ich nur die gängigen Gewerke, wie zum Beispiel das Tischler-, oder Goldeschmiedehandwerk. Da meine Eltern mit überlegten, kamen noch u. a. das Vergolde- und das Buchbindehandwerk hinzu. Mich hätte jeder dieser Beruf gereizt. Institutionen wie Arbeitsamt, Innungen und Handwerkskammern waren zu der Zeit wenig hilfreich. Das Branchenbuch förderte schließlich die Adresse einer Buchbinderei ganz in unserer Nähe zu Tage, die tatsächlich eine weitere Auszubildende suchte. So ergriff ich die Chance, ohne zu wissen, was auf mich zu kam.

Heute bin ich froh darüber, dass ich in diesem Handwerksberuf gelandet bin.
Schon vor 1400 Jahren wurden Bücher, in der uns heute bekannten Codexform, gebunden. Dennoch hat sich im Laufe der Jahrhunderte vieles am Einband verändert und tut es heute noch. Bedingt durch politische Entwicklungen, unterschiedliche Stilepochen, höherer Bedarf und technische Entwicklungen. Alles sehr spannend!

KURTI: Volle Buchläden und gut besuchte Bibliotheken scheinen leider der Vergangenheit anzugehören. Heute werden zunehmend digitale Lesegeräte und Smartphones zum Lesen genutzt. Wie hat die fortschreitende Digitalisierung deine Aufgabenfelder verändert?

Juliane Kühne: Ja, es sind im Laufe der Jahre ganz viele Aufträge weggefallen und werden auch weiterhin wegfallen. Ich erinnere mich an die tollen großen Karteikästen, die noch unter Löber Senior gefertigt worden sind, oder die Urkundenrollen in Leder. Solche Aufträge sind verloren gegangen, weil sie nicht mehr gebraucht werden, oder in Vergessenheit geraten sind. Ein großes Aufgabengebiet ist in den letzten Jahren zum großen Teil der Digitalisierung zum Opfer gefallen: das Einbinden von Fachzeitschriften. Allerdings brachte der Digitaldruck die Möglichkeit, ein Buch in Auflage eins zu drucken. Jeder, der mit einem Computer umgehen kann, hat jetzt die Möglichkeit seine Lebenserinnerungen, Gedichte und vieles andere mehr zu verfassen, zu drucken und schön gebunden in den Händen zu halten.
Ich denke nicht, dass digitale Lesegeräte das Buch ganz verdrängen werden. Es bekommt einen anderen Stellenwert.

KURTI: Was müssen junge Menschen mitbringen, wenn sie eine Ausbildung zum Buchbinder*in?

Juliane Kühne: Heute hat sich das Berufsbild der Buchbinder*innen in 2 Bereiche geteilt. Buchbinder*in Einzel- und Sonderfertigung entspricht meiner Ausbildung. In diesem Bereich sollte ein junger Mensch Spaß an Gestaltung haben und Lust, etwas mit seinen Händen zu fertigen. Allerdings gibt es nur noch sehr wenige Stellen für Ausgelernte.
Der Medientechnologe Druckverarbeitung ist die industrielle Ausrichtung des Berufes. Hier werden Druckprodukte maschinell verarbeitet zu Faltblättern, Broschuren, Büchern u.v.m. Ein technisches Verständnis ist hier von Vorteil.

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